Aktuelles
Zum 67. Geburtstag – Erinnerung an Dr. Hermann Scheer
29. April 2011
Heute wäre Hermann Scheer 67 Jahre geworden. Damit ist der 29. April für die Hermann-Scheer-Stiftung ein Tag, der in besonderer Weise dem Gedenken an Hermann Scheer gewidmet ist.
Die Hermann-Scheer-Stiftung erhielt in den letzten Monaten eine Vielzahl von Zuschriften, die von den Ereignissen in Japan, dem Supergau von Fukushima, geprägt waren. Die in diesen Zeiten wachsend geforderten Antworten eines schnellst möglichen Ausstiegs aus der Atomenergienutzung lesen sich in den Schriften von Hermann Scheer, zuletzt in dem kurz vor seinem Tod erschienenen Buch „Der EnergEthische Imperativ – 100 % jetzt: Wie der vollständige Wechsel zu erneuerbaren Energien zu realisieren ist“, als ob er die Ereignisse begleitete.
Mit der Forderung nach Beschleunigung als Voraussetzung einer unabdingbaren Erfordernis für eine auf die regenerativen Energievorkommen zugeschnittenen, mithin dezentral ausgerichteten Energiewende und mit der Beschreibung des „Scheinkonsenses“, wie dieser eben die beschleunigte Energiewende zu determinieren droht, appelliert Hermann Scheer an die politische Wachheit der Gesellschaft. Den Scheinkonsens sieht er darin, dass die (einerseits) allseitige Proklamation der Energiewende (andererseits) die ökonomischen Fußfesseln der herkömmlichen Energiewirtschaft verdeckt: „Die praktische Ablösung atomarer und fossiler Energien betrifft unmittelbar die Struktur des etablierten Energiesystems, die eng mit den herrschenden Produktions- und Konsumbedingungen, Wirtschaftsordnungen und politischen Institutionen verwoben ist“ (Der EnergEthische Imperativ, 15). Bei allen ehrgeizigen Zielsetzungen dürfe nicht übersehen werden, dass weltweit nach wie vor ein Vielfaches in konventionelle Energien investiert werde.
„Beschleunigend wirkt alles, was die Systemstarre durchbricht und unmittelbar realisierbar ist. Das Beschleunigungstempo steigert sich, wenn es sich um nicht allzu komplexe, einfach installier- und nutzbare sowie modular einsetzbare Technologien handelt, für die eine große Zahl unabhängiger Investoren bereitsteht“, so Hermann Scheer (a.a.O. 162).
Hermann Scheer ermahnt, nicht den Blick für die wahren Erfordernisse der Energiewende zu verlieren. So sei etwa die CCS-Technologie weder ökonomisch noch hinsichtlich ihres Entwicklungsstandes, ganz zu schweigen von den mit ihr einhergehenden Risiken und neuen Endlagerproblematiken, geeignet, einen Beitrag zur Energiewende zu leisten, die sowohl volkswirtschaftlich- , ressourcenverknappungsbedingt als auch mit Blick auf die Umweltsituation beschleunigt zu leisten sei. Er mahnt dabei auch, nicht die strukturelle Immanenz der Dezentralität von erneuerbaren Energien zu verkennen, womit aus deutscher Perspektive weder Offshore-Wind noch Wüstenstrom bzw. Desertec die Energiewende realisieren könne.
Als Tor zur Energiewende benennt Hermann Scheer den Vorrang erneuerbarer Energien. Im Wesentlichen gehe es darum, „vier ordnungspolitische Grundsätze gesetzlich zu verankern, die dem naturgesetzlich begründeten energetischen Imperativ und zugleich sozialethischen Werten entsprechen:
- den bleibenden Vorrang für erneuerbare Energie im Strommarkt;
- den Vorrang für Erneuerbare-Energien-Anlagen in der Raumordnungspolitik und öffentlichen Bauleitplanung;
- eine grundlegende Umwandlung der Energiesteuern zu einer Schadstoffbesteuerung und
- eine stringente Gestaltung der Energie-Infrastruktur als Gemeinschaftsgut, in der die kommunale Energievorsorge die zentrale Rolle spielt.“
Er appelliert an die Gesellschaft, den Ordoliberalismus energet(h)isch zu definieren und den Primat erneuerbarer Energien auf der politischen Ebene zur Norm zu machen. Er weist unter Berufung auf die Erfolge des EEG, forciert durch dessen Nachahmung in über 40 Staaten, darauf hin, dass die Energiewende nur auf der Ebene der Einzelstaaten durchgesetzt werden könne.
Das Gedenken an Hermann Scheer wird seinem geistigen Erbe gerecht, indem seinen Worten im Hier und Jetzt Wirkung verliehen wird.
Die Stiftung wird ihren Beitrag hierzu leisten und befindet sich in entsprechenden Vorbereitungen.
Dr. Nina Scheer
Vorstand (Ehrenamt)
Hermann-Scheer-Stiftung
Weitere Schriften zum 29. April 2011
http://www.eurosolar.de/de
Zeichen setzen: Meilensteine für die Energiewende – Die Informationsplattform Energieallee A 7
Berlin, 4. Juli 2011
Mit der heute freigeschalteten „Informationsplattform zur Projektinitiative Energieallee A 7“ setzen die Projektträger Hermann-Scheer-Stiftung und EUROSOLAR e.V. in Kooperation mit UnternehmensGrün e.V. Zeichen für den Weg in das Zeitalter der Erneuerbaren. Die Informationsplattform enthält Ausführungen und Perspektiven zur Realisierung des Konzepts „Energiellee A 7“ von Hermann Scheer, das erstmals auf der Raumordnungskonferenz von EURSOSOLAR im Frühjahr 2010 in Kassel vorgestellt wurde.
„Gerade vor dem Hintergrund des aktuell verabschiedeten Energiepakets, das in volkswirtschaftlich nicht nachvollziehbarer Weise eine Überförderung für den zentralistischen Offshore-Ausbau und den Bau großer Stromtrassen vorsieht, ist es wichtig, die Vorzüge dezentraler und schnell nutzbarer Energiegewinnungspotentiale zu erkennen und entsprechende Umsetzungsschritte einzuleiten“, erläutert EUROSOLAR-Präsident Prof. Peter Droege. Hierfür stehe das A 7-Projekt. „Während die Ethikkommission für den dezentralen Ausbau geworben hat, hätte das Energiekonzept der Bundesregierung die bereits laufende dezentrale Energiewende massiv ausgebremst. In letzter Sekunde hat sich Dank des Einsatzes zahlreicher Bundesländer, Kommunen und Abgeordneter der Bundestag dazu entschlossen, die schlimmsten Einschnitte gegen den dezentralen Ausbau von Wind- und Solarenergie an Land zu verhindern“, erklärt EUROSOLAR-Vizepräsident Dr. Fabio Longo. Mit dem neuen EEG sei der Weg zwar etwas steiniger, aber nun dennoch frei, die „Energiewende von unten“ entlang der A7 gemeinsam mit den Städten und Gemeinden, den Stadtwerken und Investoren aus Bürgergenossenschaften und mittelständischen Unternehmen zu gestalten.
Das Konzept „Energieallee A 7“ zielt auf die Nutzung erneuerbarer Energien entlang der längsten deutschen Autobahn. Mit einer installierten Leistung von insgesamt 6.255 MW durch 1.251 Windkraftanlagen der 5 MW- Klasse an allen möglichen Standorten, kann so pro Jahr rund 13.500 GWh Strom bzw. 2,2 % des deutschen Bruttostromverbrauchs erzeugt werden. Zusätzlich soll die Energiegewinnung aus anderen erneuerbaren Energieträgern, Sonne und Biomasse, eingebunden werden.
„Die Dezentralität ist der Schlüssel für die Energiewende. Die vielfältigen Beteiligungsebenen binden klein- und mittelständische Unternehmen ein und stützen damit das Rückgrad der Wirtschaft“ erklärt Dr. Nina Scheer, Vorstand der Hermann-Scheer-Stiftung und fügt an: „So werden strukturelle Monopole in der Energiewirtschaft aufgebrochen“.
Die Informationsplattform ist darauf angelegt, die Umsetzung der Energieallee A 7 anzuschieben und zu erleichtern. Durch die fortlaufend zu ergänzende und entsprechend durch die Projektträger begleitete Online-Präsentation werden Informationen sowie Hinweise auf involvierte Ebenen, Technologien, Daten und Akteure genannt und damit das breite Spektrum an Aufgaben und Lösungswegen aufgezeigt, die das dezentral strukturierte Großvorhaben Energieallee A 7 Wirklichkeit werden lassen. Die Plattform wächst mit den verfügbaren Informationen, entsprechenden Akteuren und Unterstützern.
Mit der Energieallee A 7 gelingt es, bereits bebaute Flächen synnergetisch zur regenerativen Energiegewinnung zu nutzen. Zugleich bleibt die Umsetzung ein dezentral strukturiertes Vorhaben: Durch die Beteiligung vieler Akteure der unterschiedlichsten Ebenen wird eine jeweilige Vor-Ort-Energiegewinnung erzielt. Die Energieallee ist nicht auf einen groß angelegten Überland-Leitungsbau angewiesen.
Es geht mit der Projektinitiative Energieallee A 7 um eine Beweisführung für Dezentralität und die vielfältige Nutzbarkeit erneuerbarer Energien.
Link: www.energieallee-a7.de
Pressekontakte:
Dr. Nina Scheer, Vorstand Hermann-Scheer-Stiftung, info [at] hermann-scheer-stiftung.de
Valentin Hollain, Wissenschaftlicher Leiter EUROSOLAR e.V., info [at] eurosolar.org
Videodokumentation
Am 30.09.2010, nur wenige Tage vor seinem unerwarteten und viel zu frühen Tod, hielt Hermann Scheer die Keynote bei dem Kongress der Rosa-Luxemburg-Stiftung „Power to the people“. Auf seinen Vortrag möchten wir hier anlässlich seines 70. Geburtstags nochmals aufmerksam machen.
In seinem sehr engagierten Vortrag erklärt Hermann Scheer die Grundlagen und die Konsequenzen unseres Energiesystems und demaskiert die Energiedebatten, die mehr verschleiern als sie enthüllen. Von der Prämisse ausgehend, dass Energie eben nicht gleich Energie ist, veranschaulicht er deutlich und hochaktuell, welchen Einfluss die Wahl des Energieträgers auf die Entwicklung des gesellschaftlichen Energiesystems hat und dass der Wechsel zu Erneuerbaren Energien notwendigerweise einen Systemkonflikt erzeugt. Die Ausbeutung „unterirdischer“ fossiler und atomarer Energieträger führt notwendigerweise zu einem zentralistischen und monopolhaften Energiesystem globaler Großkonzerne. Regierungen geraten in deren Abhängigkeit und führen immer wieder Ressourcenkriege zur Absicherung und Aufrechterhaltung eines Systems, welches längst an seine Grenzen stößt und die gesamte Zivilisation akut gefährdet. Daher kann die einzige vernünftige Lösung nur im beschleunigten Ausbau eines dezentralen und auf Erneuerbaren Energien basierenden Energiesystems bestehen.
(Die Veröffentlichung der Aufnahme erfolgt mit freundlicher Genehmigung der Rosa-Luxemburg-Stiftung)
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