Die Energiewende bedarf keiner Planwirtschaft

Stellungnahme, Berlin, 12. Oktober 2012

von Nina Scheer, Vorstand Hermann-Scheer-Stiftung

Der am 11. Oktober durch Bundesumweltminister Altmaier vorgestellte „Verfahrensvorschlag zur Neuregelung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG)“ enthält eine Abkehr von der Systemlogik der Energiewende und ist planwirtschaftlich motiviert.

Zu Recht lobt der Bundesumweltminister das weltweit geschätzte EEG, das in Deutschland in nur zwölf Jahren zu einem Ausbau Erneuerbarer Energien mit einem Anteil von rund 25 % an der Stromversorgung geführt habe und weltweit für über 50 Staaten Vorbildfunktion ausübt.

Ebenfalls zu Recht hebt der Bundesumweltminister hervor, dass das Ziel der Bundesregierung über den Ausbau Erneuerbarer Energien bis 2020 von derzeit 35 % auf 40 % angehoben werden sollte. Selbst dieses Ziel könnte noch zu kurz greifen. Gemessen an der heutigen Entwicklung wirkt die Zielsetzung eines Anteils von 80 % Erneuerbarer Energien bis 2050 wie ein planwirtschaftlich motivierter Bestandschutz für konventionelle Kraftwerksbetreiber, zumal seit Jahren die Prognosen über den Ausbau Erneuerbarer Energien überboten werden, mit Ausnahme solcher über den Offshore-Windenergieausbau.

Die Zielsetzungen des Verfahrensvorschlages sehen eine „regionale und geographische Koordinierung“, die „Abstimmung des Ausbaus der Erneuerbaren Energien mit den konventionellen Energien“ sowie eine „Abstimmung des Ausbaus der Erneuerbaren Energien mit dem Ausbau der Netze“ vor. Auch hierin liegt ein planwirtschaftlicher Ansatz: Der Netzausbau muss sich an den Vorkommen der Erneuerbaren Energien in ihrer dezentralen Angebots- und Akteursstruktur ausrichten und nicht umgekehrt.

Es zählt zum Kernbestand einer gelingenden Energiewende, den Anteil Erneuerbarer Energien beschleunigt zu steigern, worauf Hermann Scheer als Architekt des EEGs immer wieder hinwies. Nur so kann die vollständige Ablösung konventioneller Energien gelingen und nur so kann auch politischer und ökonomischer Handlungsdruck entstehen, um ein System für eine regenerative Vollversorgung zu schaffen. Für einen solchen Strukturwandel werden Netzmanagementsysteme und die Einbindung von Speichertechnologien zur phasenverschobenen Einspeisung von sogenannten Stromspitzen bzw. Überkapazitäten benötigt. Entsprechendes Knowhow wird von Wirtschaft und Gesellschaft nur für eine reale Energiewirtschaft an den Markt gebracht, nicht hingegen für theoretisch gehaltene Ausbauziele, die von Ausbaubegrenzung oder Quotenmodellen gekennzeichnet sind.

Indirekt unterstellt das Reformvorhaben der Bundesregierung, die Energiewende werde durch den beschleunigten Ausbau Erneuerbarer Energien gefährdet. Sie bestreitet damit den eigentlichen Erfolgswert der von Deutschland mit weltweiter Ausstrahlungswirkung ausgehenden Entwicklung. Der Ausbau Erneuerbarer Energien steht für jährlich 40 Mrd. Euro Einsparungen durch vermiedene Externe Kosten und vermiedene fossile Importenergiekosten und darüber hinaus für sich fortlaufend optimierende Erneuerbare-Energien-Technologien.

Selbst wenn die Strompreise kurzfristig um monatlich ca. fünf Euro steigen, liegt in diesen Kostensteigerungen keineswegs ein Nichtgelingen der Energiewende begründet. Entsprechende Kosten sind allerdings um den Anteil nicht zu rechtfertigen, die auf EEG-Umlagebefreiungen für energieintensive Unternehmen zulasten von Haushalten und den Mittelstand zurückzuführen sind und unter der schwarz-gelben Bundesregierung noch ausgeweitet wurden. Die Beseitigung dieser Fehlsteuerung ist sozialstaatlich und wettbewerblich unumgänglich.

Reformierte Rahmensetzung erfordert

  • Anreize zur phasenverschobenen Einspeisung regenerativer fluktuierender Energien unter Beibehaltung bzw. Rückgewinnung einer ungedeckelten Vorrang- und degressiv gestalteten Vergütungssatzregelung durch das EEG
  • die Rücknahme der ausgeweiteten EEG-Umlagebefreiungen für energieintensive Unternehmen

Ein limitierter bzw. „maßvoller“ Ausbau Regenerativer Energien nutzt allein der konventionellen Energiewirtschaft und steht für steigende Energiekosten zulasten der Allgemeinheit.

Mit den Worten von Hermann Scheer:
„Der politische Schlüssel für den Energiewechsel besteht darin, den bestehenden energiewirtschaftlichen Handlungsrahmen aufzubrechen.“