„Die schnelle und umfassende Einführung Erneuerbarer Energien heute garantiert, dass wir morgen eine umweltfreundliche, sichere und kostengünstige Energie für alle haben.”

Dr. Hermann Scheer (29.04.1944 - 14.10.2010)

Der Lange Weg !

Ein Beitrag von Irmgard Scheer-Pontenagel
Vorsitzende des Stiftungsrates, Hermann-Scheer-Stiftung

Am 14. Oktober jährt sich der Todestag von Hermann Scheer zum 15. Mal.
Sein über 30 Jahre langes Wirken als Politiker und Parlamentarier wurde weltweit anerkannt und wirkt über seinen Tod hinaus.
Seine Bücher vermitteln seine Erfahrungen als Parlamentarier – die gesellschaftliche und politische Rolle der Energiewirtschaft stand sehr früh im Vordergrund seines Interesses.
1980 zog er als Abgeordneter der SPD in den Deutschen Bundestag ein und wurde Mitglied des Verteidigungsausschusses. Später, als Vorsitzender des Unterausschusses für Abrüstung und Rüstungskontrolle, beschäftigte ihn die Atomwirtschaft mit den Komponenten militärische und energetische Nutzung.
1986 schrieb Hermann Scheer das Buch „Die Befreiung von der Bombe – Weltfrieden, europäischer Weg und die Zukunft“, es enthält einen Exkurs zur Wasserstoffwirtschaft. Die Energiewirtschaft in Deutschland wurde in jener Zeit von den Konzernen der fossilen und atomaren Energien geprägt. Umwelt- und Klimafolgen wurden öffentlich kritisiert und in der Gesellschaft dominierte nach langen Auseinandersetzungen und Diskursen die Forderung nach „Transformation“. Grundforderung war der Ausstieg aus den fossilen und der Einstieg in die Nutzung Erneuerbarer Energien (EE).

Der Parlamentarier !
Sonnenstrategie und der Weg zur Internationalen Energie Agentur (IRENA)
Mit der „Sonnenstrategie“ und weiteren Büchern bis zur Veröffentlichung von: „Der energethische Imperativ“ hat er viele Leserinnen und Leser in Europa, ja, in der Welt erreicht und fasziniert. Seine Thesen machten nachdenklich, wurden zu Leitgedanken und regten zum Handeln an. Das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) – ein „Parlamentsgesetz“, wie Hermann Scheer gern und immer wieder betonte – wurde im Jahr 2000 im Deutschen Bundestag verabschiedet und von Regierungen in vielen anderen Ländern übernommen. Wenn Deutschland heute 60 % seines Stroms aus Erneuerbaren Energien (EE) deckt, das in der EU zu fast 50 % geschieht und wenn dabei in manchen Sommermonaten der Strom allein aus Photovoltaik die Kernenergie überholt, dann sind das Entwicklungen, die damals ihren Anfang nahmen.

Seine zielgerichteten Aktivitäten für die Schaffung einer internationale Energieagentur (IRENA) liefen über viele Jahre. Auf einem von ihm initiierten internationalen Parlamentarier Forum beschlossen 2004 in Bonn Parlamentarier aus über hundert Ländern die Einrichtung dieser neuen Institution. Die IRENA (International Renewable Energy Agency) wurde schließlich 2009 in Bonn von der Bundesregierung mit 75 unterzeichnenden Ländern gegründet. Hermann Scheer suchte und erhielt in diesem langjährigen politischen Prozess die Unterstützung der Parlamentarierinnen und Parlementarier aus vielen Ländern genauso wie zuvor auf dem Weg zum EEG in Deutschland.
Die jährlichen Berichte der IRENA – mit Sitz in Abu Dhabi und Bonn – dokumentieren, wie rasant sich anschließend die EE auf der Welt ausbreiteten und nun genutzt werden. Zudem offenbaren sie die vielen Vorteile: keine Kosten für fossile Primärenergie sowie die für Gesundheit- und Umweltschutz. Letztere sind von ungeheurer Bedeutung für Länder, die sich allein aus Kostengründen nicht an dem Run auf fossile Energien beteiligen konnten. Die Entwicklungschancen dieser Länder waren stark eingeschränkt.

Was ist Abschreckung – braucht die Welt Atomwaffen ?
In seinem Buch „Die Befreiung von der Bombe“ greift Hermann Scheer ein Thema auf, das einerseits in den 1980er Jahren zur Zeit des „kalten Krieges“ im Zentrum öffentlicher politischer Debatten stand und noch heute aktuell ist. Er schreibt: „Atomwaffen sind nicht allein Mittel der Abschreckung und einer möglichen Vernichtung allen Lebens. Sie sind unverträglich mit jeder stabilen Friedenspolitik, menschlichem Gemeinschaftssinn und jeder Zivilisationsmoral, unverträglich mit politischen Verfassungen, mit der Zukunft der Demokratie und mit loyalen Staatenbündnissen, unverträglich mit den wirtschaftlichen Anforderungen für unsere Daseinsbewältigung und unverträglich mit der Zukunft der Deutschen, Europas und der Atommächte selber.“*

40 Jahre liegen im nächsten Jahr zwischen diesen Aussagen und stellen uns auch heute noch oder wieder vor Fragen, die schon damals polarisierten. Heute wie damals lautet die Grundsatzfrage: Braucht Deutschland, braucht die EU, braucht die Welt Atomwaffen?
Heute wie damals steht dabei der Begriff „Abschreckung“ im Mittelpunkt. Atomkraft und ihre Nutzung – ob militärisch zur Abschreckung oder zur energetischen Nutzung – sollten im 21. Jahrhundert keine Option mehr sein. Vor 80 Jahren erlebte die Menschheit den ersten Einsatz und Abwurf zweier Atombomben auf die japanischen Städte Hiroshima und Nagasaki durch die USA mit zehntausenden von Toten und Strahlungsopfern über Jahrzehnte und Generationen. Da immer mehr Staaten auf dem Weg dieser Art der „Abschreckung“ sind, muss die Frage: „Braucht die Welt Atomwaffen“ ausgeweitet werden. Von der bipolaren zur multipolaren Abschreckung verkürzt sich der Begriff zum unkontrollierbaren „Schrecken“!

Friedenspolitik !
Rüstungskontrolle und Abrüstung einschließlich die Ächtung von Atomwaffen muss im Vordergrund jeder Friedenspolitik stehen. Diskussionen dazu müssen aus Zirkeln oder Fachkreisen heraus und einer breiten Öffentlichkeit ermöglicht werden. Der 2021 von vielen Ländern verabschiedete und unterschriebene Atomwaffenverbotsvertrag ist dazu die Grundlage. Die deutsche Unterschrift steht noch immer aus!
Was fehlt, ist eine breite Diskussion dieser Themen – in und von der Gesellschaft gewollt und getragen.
Nur mit neuen Abrüstungsmaßnahmen der Atommächte kann verhindert werden, dass immer mehr Staaten ihre „Abschreckung“ über Atomwaffen sichern wollen.
Unterzeichnern des Atomwaffensperrvertrages, die keine eigenen Atomwaffen anstreben, wird im Gegenzug die Unterstützung bei der „friedlichen“ Nutzung der Atomenergie vertraglich zugesagt. Ob ein Land allerdings Atomenergie friedlich nutzen kann, hängt von dessen volkswirtschaftlichen Möglichkeiten ab. Der Aufbau eines Atomkraftwerks ist teuer und das know-how liegt in den Händen weniger Länder sowie der bestehenden Atomwirtschaft.
Dass es auch hier zu Konflikten kommt, zeigte zuletzt der Bombenangriff Israels und USA gegen das Atomprogramm des Iran. Als Unterzeichner des Atomwaffensperrvertrages war dem Land die energetische Nutzung von Atomkraft möglich. Berichte – auch internationaler Institutionen – und die Vermutung einer überhöhten Urananreicherung zur militärischen Nutzung lösten den Konflikt aus.
Der Betrieb von Atomkraftwerken zur energetischen Nutzung steht unter der Aufsicht der Internationalen Atomenergie Agentur (IAEA), so auch das Atomprogramm des Iran. Wie wichtig diese vertraglichen Absprachen der Weltgemeinschaft sind, haben Störungen und Unfälle in Atomkraftwerken gezeigt. In besonderer Erinnerung bleibendie Vorfälle in Tschernobyl und Fukushima.

Solare Weltwirtschaft !
Die Idee und der Einsatz von Hermann Scheer dafür, der IAEA eine IRENA entgegenzusetzen, ist erfolgreiche Realität. Erst mit der Transformation der Energiebereitstellung über Erneuerbare Energie in eine „Solare Weltwirtschaft“ gibt es keine Notwendigkeit mehr, auf Atomenergie mit den beschriebenen Risiken zu setzen – es sei denn zur militärischen Nutzung! „Die Befreiung von der Atombombe ist der politische Schlüssel zu einer Konzentration der Staatenwelt – einschließlich der Atommächte selbst – auf die politischen, wirtschaftlichen, ökologischen und sozialen Überlebensprobleme unserer Zeit. (…) Zunehmend fraglicher ist geworden, ob die Atommächte noch selbst über diese Machtkomplexe regieren. (…) erzeugen die Atommächte damit einen Zustand lähmender Ablenkung von den explosionsartig anwachsenden ökonomischen und ökologischen Problemen der Welt.“ (S. 7/8) *

*Hermann Scheer, Die Befreiung von der Bombe – Weltfrieden, europäischer Weg und die Zukunft, 1986, 7/8

*Hermann Scheer – Die Befreiung von der Bombe –

Zum 80. Geburtstag von Hermann Scheer (29.04.1944 – 14.10.2010)

Am 29. April 2024 wäre Hermann Scheer 80 Jahre alt geworden. Die Hermann-Scheer-Stiftung gedenkt an diesem Tag mit einer Erinnerung von Prof. Claudia Kemfert (Videobotschaft) an ihn. Weitere Erinnerungen an seine weitreichende, weltumspannende Schaffenskraft folgen über das Jahr 2024. Irm Scheer-Pontenagel erinnert an die von Hermann Scheer so eindringlich erklärten Zusammenhänge zwischen zivilisatorischer Abhängigkeit von fossilen Ressourcen wie auch von Atomtechnologie und deren Beeinflussung von Völkerverständigung bis hin zu Kriegen. Seine visionäre und zugleich praktische Arbeit für einen beschleunigten Energiewechsel zeichnete sich durch Grenzenlosigkeit in Ideen, Zuspitzung und Ausdauer aus. Er hinterließ uns politische Regelsätze, die sich durch ihre Zeitlosigkeit – daran erinnert auch Leoluca Orlando – bis heute bewähren und auch für die Zukunft den Weg einer gelingenden wie Frieden schaffenden Energiewende skizzieren. 

Am Tag seines 80. Geburtstages veranstaltet die SPD Wehrheim, der Geburtsort von Hermann Scheer, einen politischen Abend „Erinnerung und Vermächtnis“

Nina Scheer

Gedenken an Hermann Scheer
zum 79. Geburtstag (*29. April 1944)

Am 29. April 2023 wäre Hermann Scheer 79 Jahre alt geworden; bis heute ist er durch sein Lebenswerk, sein Wirken und der von ihm in Gang gesetzten Entwicklungen eine zeitlose politische Instanz. Sein Wirken als Sozialdemokrat für einen beschleunigten weltweiten Energiewechsel sowie hiermit einhergehende völkerverständigende Entwicklungen gibt über Parteigrenzen hinweg Orientierung. Er definierte die Notwendigkeit des Umstiegs auf Erneuerbare Energien im Zeichen von Gerechtigkeit im Umgang mit Ressourcen, zur Krisenprävention und für gesellschaftliche Teilhabe – als Ausfluss von Grundwerten – zuletzt in dem drei Wochen vor seinem Tod erschienenen Buch „Der energethische Imperativ“. Es ist aktueller denn je.

Zum 14. Oktober 2020:
Zitate in Erinnerung an Hermann Scheer

Zum 10. Todestag gedenkt die Hermann-Scheer-Stiftung ihrem Namensgeber Hermann Scheer mit einer Zitate-Sammlung aus dem Jahrzehnt nach seinem Tod bis heute. Ihnen gemeinsam ist eine hohe Anerkennung für sein Lebenswerk, zu dem der weltweite Aufbruch in das Zeitalter der Erneuerbaren Energien zählt, aber auch seine Menschlichkeit.

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Gedenkschrift

Zur Würdigung der Lebensleistung von Hermann Scheer haben EUROSOLAR und die Hermann-Scheer-Stiftung eine Gedenkschrift mit Beiträgen von Weggefährten Hermann Scheers verfasst. Die hier zusammengefassten Blickwinkel auf das Lebenswerk von Hermann Scheer entstanden größtenteils unmittelbar nach seinem Tod, wie etwa in Form solcher Nachrufe, die am 1. 11. 2010 im Rahmen der Gedenkfeier verlesen wurden.

zur Gedenkschrift

 

Zitatsammlung

Zitatsammlung von Dr. Hermann Scheer aus seinen Büchern:

„Keine Energie kann so schnell verfügbar gemacht werden wie die Erneuerbaren Energien, wenn wir nur wollen“ (2006)

„Damit Menschen und Natur wieder auf einen Nenner kommen, dürfen die Menschen nur dieselbe Energie wie die Natur nutzen: Die Energie der Sonne“ (2005)

„Die Mehrkosten für die Erneuerbaren Energuien von heute sind vermiedene Umweltschäden und niedrige Energiekosten von morgen“ (2004)

„Der unverzügliche Wechsle zu Erneuerbaren Energien ist keine Last, sondern die größte greifbare soziale und wirtschaftliche Zukunftschance“

Zur Photovoltaik: „Die Umwandlung von Sonnenlicht zu Strom ist die wichtigste Zukunftstechnologie der Menschheit“ (2010)

„Knapp sind nicht die Erneuerbaren Energien, knapp ist die Zeit“

Zu Atomkraft: „Weil nicht passieren darf, was passieren kann, darf eine Technologie nicht eingesetzt werden“ (2010)

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